Zum Glück! Ein Fehler

Beim Aufräumen fiel mir eine Kolumne in die Hände, die ich vor bald acht Jahren für das Magazin »Thema Vorarlberg« schrieb. (Das Heft unter der Chefredaktion von Andreas Dünser ist übrigens sehr lesenswert und kann hier kostenlos abonniert werden.) Sie trägt den Titel »Zum Glück! Ein Fehler« und sie liest sich heute erstaunlich aktuell. Offenbar ist das mit dem gesellschaftlichen Erwachsenwerden nicht wirklich besser geworden. Nicht nur in Vorarlberg, sondern in einer Welt, die sich zunehmend in selbstironischer Unreife gefällt.

Zum Glück! Ein Fehler

Wer etwas tut, macht Fehler. Wer viel tut, macht viele Fehler. Es soll Menschen geben, die stolz darauf sind, keine Fehler zu machen.

Vorarlberg ist ein Stück weit so jemand. Nicht, dass wir nicht fleißig wären, aber passen soll’s dann schon. Fehlern haftet immer der Makel des Scheiterns an. Sich nicht gut genug vorbereitet, nicht an alles gedacht zu haben. Solange niemand diesen Makel entdeckt, wäre noch alles gut. Aber das ist in Vorarlberg nahezu unmöglich.

Das ist die Kehrseite dieses kleinen, von Grenzen umschlossenen Bundeslandes. Es hat gerade noch die richtige Größe, um jedem das Gefühl zu geben, jeden zu kennen. Durch Schule, Skiverein, Feuerwehr, Jahrgängertreff und natürlich Arbeitsplatz wird die »urban legend«, jeder wäre über höchstens sechs Ecken mit der ganzen Welt bekannt, auf 1,2 reduziert. So ein soziales Konstrukt nährt sich aus dem Gerede – wohl dem, der dabei nicht zu selbigem wird. Daher besser nicht aus der Norm fallen. Nichts wagen, das Anlass zum nächsten »hast du schon gehört« geben könnte.


Sigmund Freud fand für diese Moralkeule einen griffigen Namen: Das Über-Ich. Er lieferte aber Gott sei Dank auch gleich eine Anleitung, wie mit dieser übermächtigen, kollektiven Eltern-Instanz umzugehen ist. Zwischen dem triebhaften, impulsiven und lustbetonten ES und der moralischen Instanz des Über-Ich billigt er uns ein ICH zu. Als Vermittler zwischen den Welten, als Entscheider mal für das eine, mal für das andere. Wir nennen das auch »erwachsen sein«.

Es wäre nicht nur wünschenswert, sondern in unsicheren Zeiten wie diesen überlebensnotwendig, ein stabiles und agiles kollektives ICH aufzubauen, um unsere Handlungsoptionen zu erhöhen. Der beste Weg dahin ist, aus gemachten Fehlern gemeinsam zu lernen.

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»Und warum fliegen Sie nicht einfach?«