Workation - Wie Homeoffice, nur mit Rotwein?

Urs Treuthardt ist Geschäftsführer der Tourismusdestination Bodensee-Vorarlberg. Ende März machte er sich mit Sack und Pack und Familie auf nach Italien, um zwei Monate die neue Reiseart „Workation“ auszuprobieren. Im Interview erzählt er von seinen Beweggründen, Stolpersteinen und Sand im Laptop.

Hi Urs, wo erreiche ich Dich gerade?

Im Moment sitze ich gerade in Santa Marina Salina auf den Liparischen Inseln an meinem Schreibtisch.

Seit wann bist Du denn schon weg und wo hat es Dich genau hinverschlagen?

Ich war acht Wochen auf Sizilien auf Workation, aufgeteilt in drei Wochen Vacation und fünf Wochen Work. Dabei haben wir in zwei Locations jeweils ein Haus/Apartment gemietet. Vier Wochen im Süden von Sizilien (Granelli) und vier Wochen auf den Liparischen Inseln in Santa Marina Salina.

Was hat Dich bewogen, auf Workation zu gehen?

Das waren mehrere Beweggründe. Auslöser war aber sicherlich die Pandemie. Auch bei mir hat ein starkes Nachdenken eingesetzt, wie ich meine Zeitressourcen sinnstiftender einsetzen kann. Ich habe zwei Jungs im Alter von 6 und 3 Jahren, beide sehr lebhaft und unterhaltsam. Ich wollte mehr von dieser Lebhaftigkeit mitnehmen und Zeit mit meiner Familie verbringen. Es stellte sich also generell die Frage nach meiner Lebensgestaltung. Ein weiterer Grund war der Wunsch nach einem Kulturwechsel. Nach über zwei Jahren zuhause in behüteter Umgebung, wollten wir wieder in andere Kulturen eintauchen, andere Sichtweisen und andere Lebensgefühle spüren. Außerdem ist Workation ein Tourismustrend mit enormen Wachstumsraten. Auch bei uns in der Destination rechnen wir damit, dass wir mehr und mehr „Einheimische auf Zeit“ bekommen werden in den kommenden Jahren, die Arbeit und Tapetenwechsel miteinander kombinieren. Ich wollte wissen, wie sich das Konzept von Workation anfühlt. Wie geht mein Umfeld und mein Team damit um? Wir reden immer von New Work, aber was ist das eigentlich genau? Welche Rolle in diesem Systemwandel übernehme ich als Führungsperson? Diesen Fragen wollte ich nachgehen.

Und der letzte Grund war einfach: Weil ich es konnte. Mein Team ist gut aufgestellt, meine Kinder sind noch nicht in der Schule und am wichtigsten, meine Frau wollte es auch.

Das klingt nach einer gut gereiften Entscheidung. Wie war das organisatorisch? Hat diese Planung auch lange gedauert oder war das einfach „hop und weg“?

Von wegen! Die Planungsphase hat 1,5 Jahre gedauert und bestand aus mehreren Phasen. Selbstverständlich kann sowas nur funktionieren, wenn man auch das entsprechende Team mit einem entsprechenden Mindset um sich hat. Die nötigen „Kommunikations- und Kollaborations-Tools“ wie MS Teams, Asana, Trello, Miro, etc. hatten wir schon vor der Pandemie im Einsatz. Während der Pandemie haben wir die Abläufe über diese Tools vertieft und effizienter gestaltet.

2021 haben wir dann die gesamten internen Kommunikationsabläufe (interne Korrespondenz, Datenablage über Sharepoint, Telefonanlage etc.) komplett über MS Teams umgesetzt. Für die Projektkoordination (Redaktion, Projektabläufe, Content-Produktion etc.) haben wir uns auf Asana ausgerichtet. Die Grundvoraussetzungen firmenseitig waren damit gegeben. Entscheidender war aber die Planung rund um die Familie. Mein älterer Sohn geht in den Pflichtkindergarten. Wir mussten also in einem ersten Schritt schauen, ob wir ihn überhaupt für zwei Monate im April und Mai 2022 rausnehmen können. Dazu mussten wir im Jänner 2021 einen Antrag beim Land Vorarlberg stellen. Diesem Antrag wurde stattgegeben. Erst nach diesem Entscheid konnten meine Frau und ich die weiteren Schritte mit unseren jeweiligen Arbeitgebern klären. Parallel zu den Gesprächen mit den Arbeitgebern haben wir uns um die Unterkünfte gekümmert. Häuser und Wohnungen findet man primär über Ferienwohnungsportale. Diese sind aber über diesen langen Zeitraum sehr teuer und es bedarf eines persönlichen Gesprächs mit dem jeweiligen Vermieter. Wir haben aber auch unser Netzwerk in Sizilien angefragt, um direkte Kontakte zu Ferienwohnungsbesitzern zu bekommen. So haben wir dann auch die Wohnung in Santa Marina Salina gefunden.

Im Gegensatz zum Haus im Süden Siziliens, welches wir über eine Vermittlungsplattform gefunden hatten, war die Wohnung auf Salina um einiges preiswerter, da wir direkt mit dem Eigentümer verhandeln konnten. Eine Plattform, die für unsere Bedürfnisse nach Workation mit einer Familie geeignet gewesen wäre, haben wir für Sizilien nicht gefunden. Eine zweimonatige Workation mit einer Familie zu planen setzt also viele Abklärungen voraus, wobei man erst nach den finalen Gesprächen mit den Arbeitgebern sagen kann, ob man tatsächlich für eine längere Zeit in Workation gehen kann oder nicht.

Nach welchen Kriterien hast Du Deine Location gewählt? Nach harten Fakten oder eher Sonnenstand und Rotweinqualität?

Primär musste die Location für mich in der gleichen Zeitzone sein, da dies die Kommunikation mit dem Team doch erheblich erleichterte. Weiters war mir wichtig, dass wir in unserem PKW anreisen konnten, da ich jederzeit meine Rückreise hätte antreten wollen, falls dies erforderlich werden sollte. Und dann sollte der Ort auch kulturelle und klimatische Unterschiede zu meinem Wohnort in Bregenz aufweisen, denn wir wollten einen Tapetenwechsel.

Nachdem die Destination klar war, welche technischen Voraussetzungen musste die Location erfüllen? Konntet Ihr hier im Vorfeld wichtige Abklärungen treffen?

Gerade wenn man mit der Familie auf Workation ist, sollte es einen Rückzugsort zum Arbeiten geben. Essentiell sind eine stabile Internetverbindung und ein guter Arbeitsplatz. Im Nachhinein hätte ich für mich einen externen Arbeitsplatz gebraucht, an dem man sich untertags zum Arbeiten einfach und unkompliziert einmieten kann. Diese Infrastruktur war aber an meinen Locations nicht vorhanden. Für den Teil der „Vacation“ sollte die Location in einer schönen Gegend sein, in der man die Zeit mit der Familie auch genießen kann.

Auf Sizilien und den Liparischen Inseln sind die Anforderungen an „Vacation“ besser erfüllt als jene für „Work“. Gerade wenn man mit einer Familie reist. Ich würde in Zukunft also bewusst Locations wählen, welche eine zusätzliche „Workation- Infrastruktur“ bieten. Solche sind aber momentan gar nicht so einfach zu finden…

Das Interview wurde erstmals veröffentlicht auf stadtmarketing.eu.
Gemeinsam mit einem weitern Artikel zum Thema “New Work”: https://www.stadtmarketing.eu/workation-2/

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